Lernen Sie Berner Wagyu kennen. Die für ihr butterzartes Fleisch bekannten Wagyu-Rinder stammen ursprünglich aus Japan. In unserer Reportage besuchen wir den idyllischen Hof von Ursula und Thomas Fuchs, die mit viel Leidenschaft und Sorgfalt diese aussergewöhnlichen Tiere in der Schweiz züchten.
Autoren: Joelle Fuchs und Mateo Uloth
Es regnet in Strömen, als wir mit Regenjacke und Schirm auf dem Hof von Ursula und Thomas ankommen. So schnell wie möglich suchen wir das Trockene unter einem Vordach. Eigentlich haben wir auf goldenen Sonnenschein, Vogelgezwitscher und grasende Kühe auf der Weide gehofft, doch vergebens. Die Sonne ist verdeckt und die Tiere haben sich wie wir ins Trockene verkrochen. Bevor wir klingeln können, öffnet sich die Tür des Bauernhauses und ein kleiner, verspielter Hund springt herausgesprungen. Es ist Zorro, wie wir später erfahren. Er müsse immer seine Nase zuvorderst haben, hört man Ursula von innen rufen. Auch Thomas und Ursula kommen heraus, ebenfalls eingepackt in Regenkleidung.

Bevor wir mit der Führung starten und uns auf die Spuren des kostbarsten Rindfleisches begeben, lernen wir Ursula und Thomas richtig kennen. Sie bewirtschaften hier über 30 Hektar Land und einen BIO-Mutterkuhbetrieb. Diesen übernahmen sie vor 15 Jahren von Ursulas Eltern. Schnell war ihnen damals klar: „Wir wollen etwas machen, was es so in der Schweiz noch nicht gibt“. Also etwas Neues, Unbekanntes, wie uns Thomas erzählt. Auf der Suche nach etwas Anderem sind sie über einen Fernsehbeitrag auf Wagyu gestossen, auch bekannt als Kobe-Rind. Gekannt haben sie es selbst noch nicht. Es ist damals in Europa kaum verbreitet gewesen. Eine Degustation des Fleisches zuhause hat gereicht, sodass sie knapp drei Jahre später, 2012, die ersten Wagyu-Embryonen gekauft haben.
Wir befinden uns jetzt auf der Terrasse und blicken gespannt auf den neuen Hof herunter, wo die Wagyu-Rinder leben. Wie sie leben und gehalten werden, finden wir nun auf einer Führung durch den Hof heraus.
Ursprünge von Wagyu
Die Rasse Wagyu stammt ursprünglich aus Japan und heißt ins Deutsche übersetzt
„japanische Kuh“. Fast 2000 Jahre lang waren Wagyus Arbeitstiere, weil sie eine hohe
körperlichen Leistungsfähigkeit hatten. Sie dienten also vorrangig als Hilfe auf
Reisplantagen, als Zugtiere und für militärische Zwecke. Dadurch, dass der Verzerr von
vierbeinigen Tieren in Japan durch die buddhistische Religion verboten war, wurden die
Tiere nicht speziell gezüchtet. Das war insofern wichtig, als sich so die Tiere mit viel
Muskelmasse verbreiten und entfalten konnten. In den Muskeln befindet sich viel
intramuskuläres Fett, was im Fleisch als Marmorierung erkennbar ist. So entwickelte sich
das heute so kostbare Wagyu-Fleisch.
Erst nach 1867, als in Japan das Verbot des Fleischverzehrs aufgehoben wurde, nahm der
Konsum von Wagyu-Fleisch zu. Man fing an die Tiere mit anderen Rassen zu kreuzen, stellte
aber fest, dass sich die Fleischqualität verschlechterte und sich andere erwünschte
Eigenschaften verhältnismässig zu wenig verbesserten. Erst 1976 wurden die ersten
schwarzen und roten Wagyu zu wissenschaftlichen Zwecken in die USA exportiert, etwa 220
Tiere. Als die japanische Regierung den Wert der Rasse erkannte, wurde das Kobe als
Kulturerbe eingestuft. Seitdem herrschen strenge Vorschriften für die Zucht der Tiere in
Japan. Kobe ist eine Unterart des Wagyus. Der Unterschied ist, dass sie geschützt sind.
Um das Fleisch Kobe nennen zu dürfen, muss ein Wagyu-Rind in der Region Kobe aufwachsen,
leben und geschlachtet werden. Das Besondere an dem Kobe ist, dass sie von allen
Wagyu-Rindern weltweit den wohl höchsten Marmorierungsgrad im Fleisch erreichen.
Besonderheiten der Wagyu-Zucht und der Fütterung
Um den Betrieb kennen zu lernen, begeben wir uns als erstes in das Herzstück, in den Stall. Er ist sehr sauber und stinkt entgegen der Erwartung auch nicht. Die Kühe sind ruhig und beobachten uns, während wir uns im Stall bewegen. An einer Stelle im Stall, sind die Kühe getrennt. Das hänge mit dem Züchten zusammen, erklärt uns Thomas.

Bei wohl keiner anderen Rasse ist die Erhaltung der Genetik so wichtig. Das heisst, dass man die Kuh nicht mit anderen Rassen mischen sollte, damit die Genetik nicht vermischt wird. Ausserdem gibt es vier verschiedene Wagyu-Rassen, von denen jede ihre eigenen Vorzüge hat. Zum Beispiel die Marmorierung des Fleisches oder die Milchmenge, die eine Kuh gibt. Dazu kommt, dass man Inzucht nicht vermeiden kann, da nur die Genetik von 221 Wagyu-Tieren exportiert wurde. Um den Überblick zu behalten, gibt es die Möglichkeit den Inzuchtquotienten per Computer zu berechnen. Aber es sei nicht ganz einfach, immer auf alles zu achten, sagt Ursula.
Als wir weiter durch den Stall gehen, fallen uns große Heuballen auf. Wir fragen, was es denn mit der Fütterung auf sich habe, denn im Internet wird ein grosses Geheimnis daraus gemacht. Ursula und Thomas jedoch sind sehr offen. Sie erzählen uns, dass sie versuchen, das Futter selbst zu produzieren und nur einen kleinen Teil zu kaufen. Und der Unterschied zur Fütterung von herkömmlichen Rassen unterscheidet sich kaum. Dennoch probieren sie gerne neue Futtermittel aus, um die Fleischqualität stetig zu verbessern. Denn die Fütterung ist entscheidend für die Marmorierung des Fleisches.
Arbeit mit Wagyu

Während wir durch den Stall gehen, möchten wir wissen, was es denn eigentlich bedeutet, mit den japanischen Rindern zu arbeiten. Einen wesentlichen Unterschied zu den herkömmlichen Rassen gibt es: Wagyu-Kühe bleiben länger auf dem Hof als beispielsweise Limousin-Kühe. Sie werden durchschnittlich 3-4 Jahre gehalten, Limousin dagegen nur 10 Monate. Dadurch hat man im Schnitt weniger Tiere auf dem Hof, da jedes Tier länger im Stall bleibt.
«Es ist immer gut, wenn wir ein Tier zum Schlachthof bringen, sonst würden wir nichts verdienen. Aber da die Tiere meistens über drei Jahre bei uns sind, hat man schon eine speziellere Beziehung»
So sei auch die Beziehung zu den Tieren eine komplett andere, meint Thomas. Er kennt nahezu alle 90 Tiere bei ihrem Namen. Das merkt man gut, während wir im Stall sind. Bei Thomas scheuen die Tiere nicht zurück, er kann sie problemlos streicheln. Bei uns hingegen sind sie eher skeptisch und halten Abstand. Wenn man eine so tiefe Beziehung entwickelt, ist es sicher schwieriger, die Tiere zum Schlachthof zu bringen, vermuten wir. Thomas erwidert: «Es ist immer gut, wenn wir ein Tier zum Schlachthof bringen, sonst würden wir nichts verdienen. Aber da die Tiere meistens über drei Jahre bei uns sind, hat man schon eine speziellere Beziehung». Aber natürlich sei es auch etwas Schönes. So nahe stehe man den Tieren sonst in der Viehzucht nicht.
Interview mit Ursula und Thomas Fuchs
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit auf eurem Betrieb, insbesondere in Bezug auf die
Wagyuzucht?
Wir haben auf dieses Jahr, 2024, auf BIO umgestellt. So betreiben wir unseren Betrieb
jetzt nach regenerativen Grundsätzen. Das bedeutet, dass eine Symbiose zwischen Pflanze
und Boden herrscht. Die Tiere können im Sommer auf die Weide und wir produzieren das ganze
Futter auf unserem Hof. Bei der Wagyuzucht schauen wir vor allem darauf, dass wir gesunde
und robuste Tiere weiterziehen und nicht solche, die anfällig sind für Krankheiten.
Warum habt ihr auf BIO umgestellt? Wo seht ihr die Vorteile?
Ein BIO-Betrieb ist sicher zeitgemäss. Gerade im Grossraum Bern hilft es in der
Vermarktung. Wir haben uns schon über einen längeren Zeitraum damit befasst und uns nun
entschieden, umzustellen. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die Umstellung
auf unserem Betrieb nicht so gross war. Wir haben schon zuvor einen reduzierten Einsatz
von Düngemitteln und Pestiziden gehabt.
Habt ihr eine besondere Betriebsphilosophie?
JA, wir wollen unseren Betrieb zukunftsorientiert bewirtschaften. Das heisst auch, dass
der Umweltgedanke und die Nachhaltigkeit wichtig sind. Grundsätzlich zu unserem Hof Sorge
tragen, so dass der Betrieb nach uns weitergehen kann. Wir wollen alles, was wir verkaufen,
möglichst selbst produzieren. Zudem ist uns Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit gegenüber den
Kund*innen sehr wichtig.
Was ist der schönste Teil eurer Arbeit?
Für mich (Ursula) ist es am schönsten, wenn ein Kalb auf die Welt kommt oder jemand
glücklich mit einem vollen Paket Fleisch vom Hof geht.
Für mich (Thomas) ist es, wenn mein Fleisch von einem Spitzenkoch zubereitet wird und ich
es bei einem Nachtessen geniessen kann.
Japanisches Bewertungssystem
Ein Bewertungssystem für Fleisch? Viele wissen nicht, dass es so etwas gibt. Und doch gibt es für das Wagyu tatsächlich ein Bewertungssystem. Es kommt ebenfalls aus Japan. Dort ist das Bewerten des Fleischs obligatorisch. Die Skala geht vom schlechtesten C1 bis zum besten A5. Der Buchstabe gibt an, wie viel Fleisch am Knochen ist, und die Zahl gibt an, wie stark die Marmorierung ist. In Japan sind die Anforderungen, um eine A5-Bewertung zu erhalten strenger als in der Schweiz.
In der Schweiz ist das Bewertungssystem weniger bekannt. Berner Wagyu nutzt das System seit Kurzem und hat so eine Vorreiterrolle in der Schweiz. Um eine Bewertung zu erhalten, muss man nach der Schlachtung an einer bestimmten Stelle des Fleischkörpers einschneiden und mit einer speziellen Kamera aus Japan fotografieren. Das Bild wird dann nach Japan geschickt und vom Computer bewertet. Dieses wird anschliessend mit der Klassifizierung zurückgesendet.
Ursula und Thomas Fuchs sind, wie gesagt, die ersten in der Schweiz, die das Bewertungssystem anwenden. Sie empfinden das Bewerten des Fleisches für wichtig, weil es beim Wagyu-Fleisch grosse Qualitätsunterschiede gibt. Eine Regelung wie in Japan gibt es in der Schweiz jedoch noch nicht. So kann jeder Züchter von sich behaupten, er habe das beste Fleisch und die Kunden können nicht vergleichen, wie gut das Fleisch wirklich ist. Dies ist einer der Hauptgründe für die Verwendung. Denn sie legen Wert auf Ehrlichkeit und Transparenz im Verkauf und haben bisher nur positive Erfahrungen mit dem Bewertungssystem gemacht.
Der Verkauf
Ursula, die den Großteil des Verkaufs organisiert, führt uns wieder nach oben in den alten, ungenutzten Teil des Hofes. Hier haben sie einen kleinen Raum renoviert, in dem das gesamte Fleisch für die Direktvermarktung gelagert wird.
«Für mich ist es am schönsten, wenn jemand glücklich mit einem vollen Paket Fleisch vom Hof geht»
Das Schwierige beim Verkauf von Wagyu-Fleisch sei, dass es keinen etablierten Verkaufskanal gebe, erklärt uns Ursula. Das heißt, Ursula und Thomas mussten sich von Grund auf ein neues Kundennetzwerk aufbauen. Das verlangte viel Arbeit. Nicht nur mussten sie potenzielle Kunden überzeugen, warum man gerade ihr Produkt kaufen sollte. Sie mussten auch erst einmal erklären, was Wagyu überhaupt ist. Doch die Arbeit zahlt sich aus. Mittlerweile kommen regelmässig Kunden auf den Hof, um das teure Fleisch zu kaufen und schauen sich nebenbei auch noch den Hof an. «Für mich ist es am schönsten, wenn jemand glücklich mit einem vollen Paket Fleisch vom Hof geht», erzählt Ursula lächelnd.

Wir betreten den Verkaufsraum. Auf der linken Seite befindet sich eine Gefriertruhe mit einer Glasscheibe. Darin lägen hauptsächlich Einzelstücke, erklärt uns Thomas, während er ein Stück Fleisch herausnimmt. Ein Denvercut. Beide sind sich einig, dies sei das beste Stück. Man erkennt sehr schön die typische Marmorierung, die durch das intramuskuläre Fett entsteht. Die Fette sind überwiegend ungesättigt und das Fleisch ist reich an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren.
Sie verkaufen aber nicht nur einzelne Stücke ab Hof, sondern auch Mischpakete im Umfang von 5,5kg à 395Fr. oder 10kg à 670Fr. Es sei möglich, solche Pakete zu bestellen und per Post zu erhalten. «Für den Versand nehme ich dann Isolierkarton, so dass es nach der Lieferung immer noch gefroren ist», so Ursula. Das sei insofern wichtig, damit die Qualität durch das Verschicken nicht beeinträchtigt werde. Die Kartons haben dickere Wände, sind aber sonst nicht anders als normale.
Viele lassen sich das Fleisch aber auch gerne am Wochenende von einem Spitzenkoch im Restaurant zubereiten. Das ist nicht nur für die Kunden bequem, sondern auch für Ursula und Thomas am einfachsten. Denn der Aufwand ist für sie kleiner, da nicht einzelne Stücke, sondern halbe oder ganze Tiere verkauft werden. Das Akquirieren der Gastronomen dafür etwas schwieriger.
Wagyu ist nicht einfach eine Rinder-Rasse unter vielen, der Name steht für Qualität und Hingabe. Die einzigartigen Tiere werden auf dem Hof mit viel Liebe und nach strengsten BIO-Richtlinien gehalten. Mit viel Arbeit und vor allem mit viel Leidenschaft produzieren Ursula und Thomas auf ihrem Hof das einzigartige Fleisch.
Quellen
- Bildquellen: Abbildung 1-4 von Berner Wagyu bereitgestellt
- Quellennachweise:
https://wagyu-swissbeef.ch/wagyu-geschichte-in-japan-2/ (Zugriff: 13.04.2024)
https://www.japan.travel/de/de/guide/wagyu-rindfleisch-und-kobe-beef/ (Zugriff: 21.04.2024)
Https://www.berner-wagyu.ch/ (Zugriff: 20.04.2024)
https://de.osmeatshop.com/blogs/blog-posts/the-complete-wagyu-cow-guide (Zugriff: 20.04.2024)
https://www.ch-wagyu.ch/geschichte/ (Zugriff: 20.04.2024)